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#ein guter Platz zum sterben

Schnecken-Unfall am Morgen.

Heute bin ich versehentlich auf eine Schnecke getreten, die direkt vor der Haustür ihr Lager aufgeschlagen hatte. Normalerweise sehe ich IMMER auf den Boden, während ich laufe oder mit dem Rad unterwegs bin. Aber dieser erste Schritt wurde ihr zum Verhängnis.

 

Ihr Häuschen ist leider komplett zerstört und ich fürchte, sie hat auch am Körper Schaden genommen. Ich habe hin und her gegoogelt, wie man Schneckenhäuser flicken kann, aber wusste eigentlich schon: dieser Schaden ist zu groß, da ist nichts zu machen, sie hat ihr Haus verloren. Und ohne ihr Haus kann sie nicht überleben.

 

Es ist ihr Schutz vor den Elementen, vorm Anfassen, vor nassen Hundenasen, und am allerwichtigsten: ihr Schutz vor Austrocknung. Der Schaden ist so groß, dass sie sich nicht mehr in Haus zurückziehen kann, es fehlt ihr der sicherere Ort zum überleben.

 

Ich bringe sie zum rosa Rhododendron und bin eine kleine Weile mit ihr im Kontakt. Beratschlage, was zu tun ist (nach dem googeln). Ich entschuldige mit tausendmal, es tut mir so leid, das ich sie nicht gesehen habe.

 

Lass mich einfach hier sitzen.

Sie ist ziemlich gefasst, hat an der rechten Bauchseite etwas abbekommen, das Haus hat ihr wohl in die Haut geschnitten.

Sie versucht, sich fortzubewegen, aber das kaputte Haus, was ich ihr nicht abnehmen mag, da ich nicht weiß, welche Teile mit welchen Organen zusammen hängen, bewegt sich nicht richtig mit. Es behindert sie. 

 

Sie verkrümelt sich unter ein Blatt und sitzt ganz still da. 

 

Ich schicke ihr: "Was kann ich denn jetzt für Dich tun?"

"
Du kannst nichts mehr tun. Es ist passiert nun einmal und nun ist es passiert." 

Ich würde Dir so gern helfen.

"Ja, das weiß ich, weil ich es fühlen kann.

Lass mich einfach ganz in Ruhe hier sitzen, unter diesem kühlem Blatt, auf dem weichen Moos und abwarten, was geschieht. Es ist alles in Ordnung. Du kannst nichts mehr tun."

 

Schnecke weiß, dass sie so nicht überleben kann. Und diese kleine, zarte Wesen scheint okay damit zu sein. Sie jammert nicht, sie nimmt es einfach an. Ich empfange: "Es ist ja quasi ein Berufsrisiko, so als Schnecke. Mach dir nichts daraus, es passiert und Du hast mich ja nun an einen guten Ort gebracht und ich werde sehen, was passiert."

Wirklich?

Wirklich

 

Nun sitze ich oben in meinem Büro und schreibe diesen Text.

 

Es tut mir so unendlich leid kleine Schnecke. Ich werde öfter nach Dir sehen und Dich fragen, ob ich nicht doch etwas für Dich tun kann.

 

Gute Reise auf dem Weg in die andere Dimension, liebe Schnecki!

 

Nachtrag
Im Laufe des Tages gesellte sich eine zweite Schnecke zu ihr, es fühlte sich an, als wolle sie ihr Gesellschaft leisten. Und  nächsten Tag fand ich Schnecke- die immer noch auf dem weichen Moos saß- und da war bereits aus ihrem Körper gegangen. Es sah alles ganz friedlich aus. Und es war wohl genau so, wie sie es gesagt hatte: es war in Ordnung, wie es war. Sie war im Frieden damit.

 

Schutz vor den elementen und noch viel mehr.

Es ist okay so. Wirklich? Wirklich.

Gute Reise, liebe Schnecke!


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